Leica SL3 – ein erster Erfahrungsbericht

 

Letzten November, als die Gerüchteküche noch gar nichts Genaues zu berichten wusste, waren mein Freund Christian Habermeier und ich in Island unterwegs. Mit im Gepäck waren zwei Leica SL3 aus der Vorserie. Wir wollten die Kamera auf Herz und Nieren testen und sie ein wenig ans Limit treiben. Die Kaltwassersurfer von Island schienen uns dafür ein geniales Projekt zu sein. Und so standen wir dann eines frühen Morgens bei minus 7 Grad Celsius im Norden Islands mit klammen Fingern und schauten zu, wie sich die Surfer begeistert und offenbar immun gegen die Kälte in ihre Neoprens zwangen.

Tough guys. Leica SL3, 1/320 sec., f 1.4, 320 ISO, Summilux-SL 1.4/50 mm. Bildbearbeitung und sw-Umwandlung in Lightroom


Eingeführt in die Szene der Kaltwassersurfer hat uns Elli Thor, der nicht nur ein sehr guter Surfer, sondern auch ein hervorragender Fotograf ist. Ein Blick auf seine Homepage lohnt sich sehr, und wenn Du mal ein Film- oder Fotoprojekt in Island umsetzen willst und einen lokalen Fotografen/Filmer benötigst, ist Elli sicher eine top Adresse.

Elli. Leica SL3, 1/200 sec., f 2.2, 250 ISO, Apo-Summicron SL 2.0/90 mm. Bildbearbeitung und sw-Umwandlung in Lightroom


Was sind die wesentlichen Unterschiede zwischen SL2 und SL3

Was bringt die SL3 im Vergleich zur SL2? Diese Punkte sprechen meines Erachtens für das neueste Modell der SL-Serie:

  • Klappbarer Screen. Leica hat sich lange geweigert, den Screen klappbar zu machen. Jetzt ist er da in der Stabilität, die Leica wichtig ist

  • Hoch auflösender Sensor mit 60 Mpx mit der Möglichkeit, die Bilder sowohl in RAW als in JPG in drei Auflösungsstufen aufzunehmen. Dynamikumfang und Rauschverhalten wurden im Vergleich zur SL2 nochmals verbessert

  • Schnellere Bildfolgen (bis 15 Bilder/Sekunde)

  • Verbesserter Autofokus im Vergleich zur SL2

  • Gehäuse etwas kleiner, aber nicht so klein wie die Gehäuse von anderen Anbietern, die meines Erachtens nicht mehr gut in der Hand liegen, weil sie zumindest für mich zu klein sind

  • Video in 8K

  • Das bisher schon geniale Bedienungskonzept und die Menuführung wurden nochmals verbessert

Elli und seine Frau Rachel. Dieses Bild wäre ohne klappbaren Screen so nicht möglich gewesen, weil ich die Kamera knapp über die Wasseroberfläche gehalten habe. Leica SL3, 1/250 sec, f 4.5, 2500 ISO, Leica Vario Elmarit SL 2.8-4.0/24-90mm auf 56 mm. Bildbearbeitung und sw-Umwandlung in Lightroom


Wie arbeitet es sich mit der SL3

Unerreicht genial: das Bedienkonzept der Leica SL3 (Pressefoto Leica)

Die Kamera stellt sich ganz in den Dienst der Fotografin/des Fotografen
Was ich an der Leica SL-Serie so schätze, ist die Tatsache, dass sich die Kamera ganz in den Dienst der Fotografin / des Fotografen stellt. Nicht viele fancy Knöpchen und Hebelchen, sondern eine Konzentration auf das Wesentliche. Das Interface auf dem Screen ist meines Erachtens schneller und intuitiver zu bedienen als viele verschiedenen Hebel und Knöpfe. Mein Freund Christian, der vor unserer Reise nur mit der S3 arbeitete und die SL-Kameras nicht kannte, meinte anerkennend: «Nach einer halben Stunde hat man die Kamera im Griff. Es ist alles logisch aufgebaut.» Sehr gefreut hat mich, dass die Leica-Entwickler der SL3 ein drittes Rad spendiert haben. So kann man Verschlusszeit, Blende und ISO je mit einem separaten Rad verstellen, ohne dass man vorher irgendwelche Knöpfe drücken muss. Etwas gewöhnungsbedürftig war für mich am Anfang der neue On-/Off-Schalter, aber mit der Möglickeit, die Kamera in Standby zu versetzen, gewinnt man Zeit beim Anschalten der Kamera. Sie ist aus dem Standby-Modus heraus blitzschnell arbeitsbereit.

Die SL3 ist hart im Nehmen
Wir waren bei minus 7 Grad unterwegs, und die SL3 hat auch den einen oder anderen Wasserspritzer abbekommen. Doch sie hat immer perfekt und klaglos funktioniert. Ich hatte mit Kameramodellen anderer Marken immer wieder mal Aussetzer bei extremen Wetterbedingungen, die Kameras der SL-Serie haben immer klaglos funktioniert. Für mich ist die Zuverlässigkeit einer Kamera ein wesentliches Kriterium für den Kaufentscheid.

Die Objektive sind ein Traum
Für mich sind die SL-Objektive – und zwar diejenigen, die in Wetzlar produziert werden – traumhaft gut. Die drei SL-Zooms 16–35mm, 24–90mm und 90–280mm sind meines Erachtens die besten Zooms für Vollformatkameras auf dem Markt. Ich finde, dass sie einen Qualitätslevel haben, den andere Systeme nur mit Fixbrennweiten erreichen. Die Festbrennweitenserie zur SL mit Lichtstärke 2.0 (21/24/28/35/50 und 90 mm) sind so unglaublich gut, dass man im Zusammenspiel mit dem 60 Mpx-Sensor nahezu auf Mittelformat-Level arbeiten kann. Ich habe das SL 2.0/35 und das 2.0/90mm, und ich arbeite unglaublich gerne mit diesen beiden Objektiven. Dank der L-Mount-Alliance lassen sich auch Objektive von Panasonic und Sigma an die SL3 anschliessen, wobei ich – wie oben bereits erwähnt – die Original-Leica-SL-Objektive bevorzuge. Das ist aber, ich gebe es zu, eine Kostenfrage.

Das Farbmanagement gefällt mir
Bei anderen Kameraherstellern empfinde ich die Farben oft etwas übersteuert. Die Leica-Kameras sind diesbezüglich zurückhaltender eingestellt. Natürlich lässt sich einiges in der Postproduction korrigieren, aber je näher die Farben an meinem optimalen Empfinden sind, desto weniger Zeit muss ich in die Bildbearbeitung stecken.

Eine besondere Funktion für die Architekturfotografie
Zuerst bei der Leica M-Serie eingeführt, ist die automatische Perspektivenkorrektur seit der SL2 auch in der SL-Serie verfügbar. Leica gibt bei aktivierter Perspektivenkorrektur jedem Bild die Informationen mit, um die stürzenden Linien in der Postproduction mit Lightroom mit einem Knopfdruck zu korrigieren. Wenn Du in RAW fotografierst, hast Du dann sowohl ein unkorrigiertes Bild als auch mit dem einen Knopfdruck ein perfekt korrigiertes Bild, bei dem alle stürzenden Linien absolut gerade sind. Ich hatte immer den Eindruck, dass die Perspektivenkorrektur in Lightroom nicht ganz 100%ig funktioniert. Die Leica-Perspektivenkorrektur ist meines Erachtens besser.

Gibt es etwas, das gegen die SL3 spricht?
In meinen Workshops lasse ich die Teilnehmenden immer wieder mal mit meiner SL2 fotografieren. Es herrscht grosse Einigkeit: Das Bedienungskonzept und die Bildqualität sind top of the notch. Natürlich ist Leica nicht günstig, und nicht jedermann und jedefrau ist bereit oder in der Lage, so viel Geld in ein Kamerasystem zu investieren – auch wenn sich alle einig sind, dass die hochwertigen Materialien und das durchdachte Bedienungskonzept das Geld wert sind. Ein Kritikpunkt kommt hie und da von meinen «Testern»: Kamera und Objektive sind schwerer als die Modelle der Mitbewerber. Hier zahlt man quasi einen Preis für die Robustheit des Systems, und jede Person muss individuell abwägen, ob sie/er bereit ist, das Mehr an Gewicht für ein Plus an Robustheit in Kauf zu nehmen.

Und der Autofokus?
In praktisch allen Testberichten und Foren war/ist zu lesen, dass der Autofokus der Leica SL2 im Vergleich zu den Konkurrenzmodellen in der Performance hinterherhinkt. Das ist so korrekt. Der Autofokus der SL3 ist nun wesentlich verbessert worden, und das Eye-Tracking funktioniert tadellos. Ich will aber nicht verschweigen, dass sich die SL3 in punkto Autofokus bei extrem schnellen Sportarten von Kameras wie z.B. einer Sony a1 geschlagen geben muss. Gut möglich, dass Leica über Firmwareupgrades die AF-Performance noch verbessern kann, aber wer Formel 1 oder andere schnelle Sportarten fotografiert, ist unter Umständen mit einer Kamera wie der Sony a1 besser bedient. In «normalen» Situationen und auch bei Sportarten, die nicht ultraschnell ablaufen, ist die SL3 ein wunderbares Werkzeug. Beim Filmen ist bei unserem Preproduction-Modell der Autofokus nicht ganz problemlos gewesen. Gut möglich, dass das beim Serienmodell jetzt besser ist. Wer manuell fokussiert beim Filmen, hat mit der SL3 aber eine Kamera, die sehr schöne Videofiles mit – wie bereits erwähnt – bis zu 8K liefert. Für die Filmer ebenfalls interessant ist meines Erachtens, dass man verschiedene Profile zum Filmen anlegen kann. Hat man das einmal gemacht, kann man blitzschnell zwischen verschiedenen Filmsettings hin- und herwechseln. Ich habe ein “normales” Profil mit 4K 30fps, eines mit 4K 60fps, ein 8K- und ein Slomo-Profil angelegt. Das Hin- und Herwechseln beim Arbeiten geht dann blitzschnell.

Der Autofokus der SL3 ist im Vergleich zur SL2 wesentlich verbessert worden. Leica SL3, 1/1000 sec, f 6.3, 3200 ISO, Sigma 100–400mm 5–6.3 DG DN OS auf 288 mm


Eine kleine Bildgalerie von den Kaltwassersurfern


Und zum Schluss noch ein kleiner Movie

Besonders um die schnellen Bildfolgen zu visualiseren, habe ich noch einen kleinen Filmclip zusammengestellt. Alle Stills sind mit der SL3 entstanden. Viel Spass beim Eintauchen in die Welt der Kaltwassersurfer.


Special thanks to Elli Thor and his friends. It was an honour to be out and about with you. © aller Bilder und Videoclips by Christian Habermeier und Peter Schäublin.


 
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