Das berühmteste Flugzeugwrack


Wenn ich in Island bin, zieht es mich immer wieder zum wohl berühmtesten Flugzeugwrack - einem Transportflugzeug, das seit 50 Jahren etwas westlich von Vik liegt. Monat für Monat dezimieren die Witterung und Schnäppchenjäger die Überreste. Von Zeit zu Zeit werde ich von Freunden gefragt, was es mit diesem Wrack auf sich hat. Wenn Dich die Geschichte dieser Maschine interessiert, findest Du nach den Bildgalerien, am Ende dieser Seite, weitere Informationen.

Der silberne Rumpf auf dem schwarzen Lavasand ist prädestiniert für eine harte Schwarz-Weiß-Umsetzung. Ich habe die Bilder in Lightroom so bearbeitet, dass sie die etwas surreale Stimmung vor Ort wiedergeben. Dreimal habe ich das Wrack fotografiert – im Juli 2023, im Januar 2019 und im Juli 2014, bei unserer ersten Islandreise. Wie man sieht, haben Schnäppchenjäger in diesen neun Jahren einen nicht unerheblichen Teil des Flugzeugs in kleine Teile zerlegt und mit nach Hause genommen.

Juli 2023


 

Januar 2019


 

Juli 2014


 

Geschichtliches

Seit 1973 liegt dieses Flugzeugwrack am Strand von Solheimsandur. Es handelt sich nicht, wie oft vermutet, um eine DC3, sondern um eine umgebaute Douglas C-117, mit der amerikanische Soldaten ihren Nachschub transportierten.

Island hat eines der unbeständigsten Wetter der Welt. Die Navigationshilfen waren damals noch relativ primitiv, was dazu führte, dass auf der winzigen Insel von der Größe Kentuckys mehr US-Militärflugzeuge abstürzten als fast überall sonst auf der Welt. Laut öffentlichen Militärdokumenten der Luftwaffe und der Marine gab es zwischen 1941 und 1973 nicht weniger als 385 Unfälle mit US-Militärflugzeugen auf Island. Das ist ungefähr ein Unfall alle 31 Tage in 33 aufeinander folgenden Jahren.

"Man muss verstehen, dass das Wetter in Island eine sehr starke Kraft ist. Es ändert sich wahrscheinlich schneller als irgendwo sonst auf der Welt, mit Ausnahme der Pole, und deshalb fliegen wir normalerweise nicht über die Pole". - sagte Leutnant Gregory Fletcher, der 26-jährige Copilot in Ausbildung, nach dem Unfall.

Drehen wir das Rad der Zeit rund 50 Jahre zurück:

Dramatische Momente an Bord

Es ist der 21. November 1973, der Tag vor Thanksgiving. Die C-117 von Flugkapitän James Wicke befindet sich auf einem Transportflug von Keflavik zur Militärbasis in der Nähe von Höfn. Während des Fluges verschlechtert sich das Wetter. Die Temperatur sinkt rapide auf -10°C, und die Windböen nehmen auf fast 100 km/h zu. Der Vergaser beginnt zu vereisen. Mit zunehmender Wetterverschlechterung geht der Kampf gegen die Elemente verloren. Beide Triebwerke frieren ein und bleiben stehen,

Flugkapitän Wicke setzt ein Notsignal ab und versucht, die Triebwerke wieder zu starten. Das Notsignal wird von einem anderen Flugzeug der Luftwaffe aufgefangen, und sofort sind drei Flugzeuge und zwei Hubschrauber in der Luft. Alle Schiffe, die an der isländischen Südküste vorbeifahren, werden alarmiert, denn man weiß nicht genau, wo das Flugzeug landen wird, nachdem Co-Pilot Leutnant Gregory Fletcher, ein 26-jähriger Pilot in Ausbildung, mit erst 21 Stunden Flugerfahrung auf der C-117, eine gewagte Entscheidung getroffen hat:

Fletcher übernimmt aus mir noch unbekannten Gründen das Steuer von James Wicke. Er weiss, dass sie bei einem Weiterflug Richtung Landesinneres an einem Berg zerschellen würde – was für ihn, den Piloten und die fünf Passagiere den sicheren Tod bedeuten würde. Deshalb entscheidet er sich für die bessere von zwei schlechten Varianten: Er will versuchen, auf dem Ozean zu landen, um ihnen wenigstens eine kleine Überlebenschance zu geben.

Das Flugzeug verliert immer mehr an Höhe und durchbricht die Wolken. Fletcher erkennt vor sich eine Küstenlinie - "ein verdammtes Ding, das wie der Mond aussah", wie er später sagt. Er bringt das Flugzeug herunter und rutscht 27 Meter über die Sanddüne. Bei der Notlandung verbiegen sich die Propeller, die Motorhaube wird zerquetscht und die Tanks bersten. Die C-117 bleibt sechs Meter vor der Wasserlinie liegen. Fletcher rettet allen sieben Insassen das Leben.

"Das war die sanfteste Landung, die ich je erlebt habe", wird Howard Rowley, Master Sergeant der Air Force und Passagier an Bord, später sagen.

Die Rettung

Ein Bauer in der Nähe der Absturzstelle hört den Lärm der Notlandung. Er eilt mit seiner Frau zu seinem Traktor und kämpft sich durch den Schneesturm zum Strand, ohne zu wissen, was ihn dort erwartet. Andere Bauern in der Umgebung tun es ihm gleich, und auch das nächstgelegene Such- und Rettungsteam (SAR), das in Vik stationiert ist, setzt sich in Bewegung. Aus den Funkdaten über Geschwindigkeit und Höhe des Flugzeugs hatten sie bereits errechnet, dass die Maschine auf dem Sólheimasandur, irgendwo zwischen Mýrdalssandur und dem Atlantik, landen würde. Um 14.00 Uhr, nur eine Stunde nach der Notlandung, trifft das Rettungsteam aus Vík am Flugzeug ein – gerade als die Überlebenden von einem Suchhubschrauber der Luftwaffe abtransportiert werden. Auf dem Militärstützpunkt in Keflavík stellt sich heraus, dass die Menschen den Absturz unverletzt, ja sogar ohne einen Kratzer überlebt haben – was man vom Flugzeug nicht behaupten kann.

Die Zerlegung des Flugzeugs

Sofort wurde mit der Demontage des Flugzeuges begonnen. Der SAR wurden die 800 Liter Treibstoff übergeben, die die C-117 noch an Bord hatte. Das reichte aus, um die Schneemobile und Rettungsfahrzeuge für die nächsten Jahre zu betreiben. Die Tragflächen wurden abgesägt, das Cockpit demontiert und die Triebwerke ausgebaut. Alles, was von der C-117 noch zu retten war, wurde aus dem Flugzeug geborgen. Zwei Tage nach dem Absturz lag der Rumpf wie ein Skelett in der schwarzen, apokalyptischen Wüste. Das US-Militär ließ den 10’000 Pfund schweren Rumpf einfach am Strand liegen und machte sich aus dem Staub.

Warum befindet sich die C-117 immer noch auf Sólheimasandur?

Laut Friðþór Eydal, der von 1983 bis 2006 bei den isländischen Streitkräften unter US-Kommando für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig war, wurde im Rahmen des Stationierungsabkommens zwischen den beiden Nationen vereinbart, dass die USA im Falle eines Absturzes eines US-Flugzeugs in Island 85 Prozent der Bergungskosten übernehmen würden, die isländische Regierung jedoch für die Beseitigung des Wracks verantwortlich wäre.

"Dieses Szenario würde nur eintreten, wenn ein Landbesitzer Anspruch auf die Beseitigung des Wracks erheben würde", sagt Eydal. "Und das ist an einem Ort wie Island so gut wie nie passiert."

Und warum? Laut Eydal gibt es dafür zwei Gründe: Erstens ist die Insel zu 80 Prozent unbewohnt und mehr als 60 Prozent des Landes sind von Gletschern bedeckt. Zweitens muss Island wegen des rauen Klimas und der begrenzten natürlichen Ressourcen fast alles importieren. Daher neigen die Isländer dazu, keine Wertstoffe zu verschwenden und das Wenige, was sie haben, kreativ umzuwidmen. Wenn Flugzeuge abstürzten, verwandelten die findigen Isländer die Überreste der Maschinen in Dächer, Zäune und andere Haushaltsgegenstände. Den Militärs war das recht - eine Art Win-Win-Situation...

Bild: Þórir Kjartansson

Ein seltenes Foto

Ein Mitglied des damaligen isländischen Rettungsteams, Þórir Kjartansson, hat einen Tag nach der Notlandung ein Foto von dem Flugzeug gemacht - noch mit den Triebwerken und den Tragflächen. Wie auf dem Bild zu sehen ist, lag das Flugzeug damals etwas anders. Die heutige Lage ist durch die Demontage der Triebwerke und Tragflächen entstanden.

Und sie ist immer noch da

Heute, ziemlich genau 50 Jahre später, steht die C-117 immer noch am einsamen Strand von Solheimansandur, allerdings stark dezimiert von Schnäppchenjägern, die gerne ein Souvenir mit nach Hause nehmen.


Wir können nur erahnen, welche Achterbahn der Gefühle die sieben Menschen am 21. November 1973 durchlebt haben. Die große Angst an Bord, als sie merkten, dass das Flugzeug nicht mehr zu steuern war. Schreie? Stoßgebete? Wir wissen es nicht. Aber wir können uns die Stille nach der Notlandung vorstellen: Gregory hat es geschafft, das Flugzeug zu landen. Alle sind unverletzt. Tiefes Aufatmen. Dankbarkeit. Vielleicht ein Dankgebet.

An all das sollten wir denken, wenn wir das berühmteste Flugzeugwrack der Welt an der Südküste Islands besuchen.

 

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Die vier Elemente: Feuer

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Fotos Alterszentrum Stein am Rhein