Zwei Lichtriesen im Test, Teil 2

Sigma 300-600mm F4 DG OS | Sports und Sigma 200mm F2 DG OS | Sports

Nach dem ersten Teil des Testberichts über das Sigma 200mm F2 DG OS | Sports liegt der Schwerpunkt des zweiten Teils auf dem Siga 300–600mm F4 DG OS | Sports. Fotografische Conoisseure lassen sich die Daten dieses Objektivs auf der Zunge zergehen: ein sehr interessanter Zoombereich für gewisse fotografische Gebiete und eine durchgehende Lichtstärke von f 4.0. Wow. Diese technischen Daten geben dem Objektiv dann aber physische Werte mit, die ebenfalls aufhorchen lassen: Gewicht 3.97 kg und eine Baulänge von 46.79 cm (L-Mount) resp. 46.99 cm (E-Mount) ohne Gegenlichtlende. Mit angesetzter Gegenlichtblende liegen wir wohl irgendwo im Bereich von 60 cm (leider habe ich vergessen, die Länge mit angesetzter Gegenlichtblende zu messen).

Schon ohne Gegenlichtblende ist das Sigma 300–600mm F4 DG OS | Sports mit beinahe 50 cm Länge ein richtig grosses Teil mit viel Metall und Glas (Pressebild Sigma)

«Mami, lueg emal de Maa mit em grosse Fotiapparat» … mit so einer Riesenröhre fällt man auf, und wie man sieht, ist mein Stativ eher grenzwertig für das 4.0/300–600 mm …

Wenn man mit diesem Objektiv durch den Zoo spaziert, wird man beinahe so stark beachtet wie die Tiere. Während die Erwachsenen einfach sehr lange hinschauen, wenn man vorbeigeht, sagen die Kinder frei heraus: „Mami, lueg emal de Maa mit dem grosse Fotiapparat.“ Also – wer etwas Aufmerksamkeit braucht, kaufe sich das Objektiv und gehe damit ein wenig in den Zoo … Doch Spass beiseite:


Frühmorgens auf dem Rhein

Ein Sonnenaufgang im Kajak auf dem Rhein ist ein Erlebnis, das an Schönheit schwer zu überbieten ist. Lautloses Gleiten auf dem sich golden färbenden Wasser und im Optimalfall noch Dunst, der vom Wasser aufsteigt. Wir treffen uns frühmorgens um 6.00h – nebst meiner Wenigkeit sind das meine tolle Assistentin Chiara, die beiden Kajaker Jürg und Thomas und Bootskapitän Peter, der uns mit seinem Holzboot in die richtige Aufnahmeposition bringt. Euch allen vielen Dank, dass Ihr so früh aus den Federn gestiegen seid.

Ich habe eine ziemlich klare Vorstellung, was ich bildlich erreichen möchte: Die beiden Kajaker auf dem Wasser als Silhouetten und im Hintergrund die aufgehende Sonne. Um das zu erreichen, braucht es neben guten Ortskenntnissen eine lange Brennweite, damit die Sonne von ihrer Grösse her wie die Sonne und nicht wie ein heller Stecknadelkopf aussieht. Wärhend Chiara das 2.0/200mm montiert, wage ich mich an das „Biest“ heran. Bei Fotos aus dem Boot macht ein Stativ wenig Sinn. Wohl würde es das Gewicht der Aufnahmeeinheit tragen, aber jede Schwankung mitmachen. Wenn ich mit Abstützen fotografiere, kann ich solche Schwankungen besser auffangen. Unser Timing ist perfekt, und wir treffen zur richtigen Zeit am richtigen Punkt des Rheins ein. Die nächsten 30 Minuten sind von der Stimmung und vom Licht her etwas vom besten, was ich bisher auf diesem Fluss erlebt habe. Alles passt zusammen, und es enstehen grandiose Aufnahmen. Chiara und ich fotografieren beide mit AF-C und einer Bildrate von 15 Bildern pro Sekunde. Denn obwohl die beiden Kajaker sich sehr bemühen, synchron zu paddeln, bewegen sie ihr Paddel unterschiedlich. Doch oft – manchmal nur für den Bruchteil einer Sekunde – befiinden sich die beiden Paddel im gleichen Winkel, und das ganze sieht aus wie Synchronballett. Die etwas unterbelichteten Bilder zeigen die unglaubliche Schönheit dieses Morgens. Wie bereits beim ersten Teil des Tests habe ich alle Bilder lediglich in Helligkeit, Kontrast und Farbe korrigiert, jedoch nicht nachgeschärft.

Genau so hab ich’s mir vorgestellt … Leica SL3 mit Sigma mit Sigma 300-600mm F4 DG OS | Sports auf 300 mm, 1/2000 sec, f 6.3, 500 ISO

Bild 1: Leica SL3 mit Sigma mit Sigma 300-600mm F4 DG OS | Sports auf 465 mm, 1/4000 sec, f 4, 500 ISO
Bild 2: Leica SL3-S mit Sigma mit Sigma 300-600mm F4 DG OS | Sports auf 300 mm, 1/2500 sec, f 8, 320 ISO
Bild 3: Leica SL3-S mit Sigma mit Sigma 300-600mm F4 DG OS | Sports auf 300 mm, 1/2000 sec, f 6.3, 320 ISO
Bild 4: Leica SL3 mit Sigma mit Sigma 300-600mm F4 DG OS | Sports auf 300 mm, 1/4000 sec, f 4, 500 ISO
Bild 5: Leica SL3-S mit Sigma mit Sigma 200mm F2 DG OS | Sports, 1/10000 sec, f 2.2, 100 ISO. Chiara hat mit dem 200er einen etwas grösseren Blickwinkel einfangen können.
Bild 6: Leica SL3 mit Sigma mit Sigma 300-600mm F4 DG OS | Sports auf 300 mm, 1/4000 sec, f 4, 500 ISO


Harley in Action

Doch wie schlägt sich das 300-600er, wenn wir schneller bewegende Objekte ins Visier nehmen? Mein Freund Marco fährt mit seiner Harley ein paar mal hin und her, damit wir die Grenzen testen können. Brennweite auf das Maximum von 600 mm, voll offefne Blende, AF-C, 15 Bilder pro Sekunde. Er braust mit 70 km/h auf uns zu, und wir stellen fest, dass die SL3-S mit dem 300-600mm perfekte Resultate liefert. Die Perspektive ist noch extremer wie mit dem 200er, und mir persönlich gefällt der kleine Schärferaum sehr gut. 1/3200 sec., f 4.0, 400 ISO. Um den Unterschied in Perspektive und Schärferaum zwischen 600 und 200 mm zu dokumentieren, fotografiert Chiara mit dem 200er, bei dem sie die Blende ebenfalls auf 4.0 stellt.

Bild links: Leica SL3-S mit Sigma 300-600mm F4 DG OS | Sports auf 600 mm, 1/3200 sec, f 4, 400 ISO
Bild rechts: Leica SL3-S mit Sigma 200mm F2 DG OS | Sports, 1/4000 sec, f 4.0, 400 ISO


Das Bergrennen

Können wir geschwindigkeitsmässig noch einen draufsetzen? Aber klar doch. Am zweitletzten Tag unseres Testzeitraums dröhnen die Rennautos in Oberhallau den Berg hoch. Meine Frau Ursula und ich gehen auf Pirsch. Im Fahrerlager gelingen uns einige spannende Aufnahmen mit dem 200er, mit dem man sehr gut aus der Hand arbeiten kann:

Bild 1: Leica SL3-S mit Sigma mit Sigma 200mm F2 DG OS | Sports, 1/640 sec, f 2.0, 200 ISO
Bild 2: Leica SL3-S mit Sigma mit Sigma 200mm F2 DG OS | Sports, 1/1000 sec, f 2.0, 200 ISO
Bild 3: Leica SL3-S mit Sigma mit Sigma 200mm F2 DG OS | Sports, 1/800 sec, f 2.0, 200 ISO
Bild 4 und 5: Leica SL3-S mit Sigma mit Sigma 200mm F2 DG OS | Sports, 1/320 sec, f 2.5, 200 ISO
Bild 6: Leica SL3-S mit Sigma mit Sigma 200mm F2 DG OS | Sports, 1/320 sec, f 2.5, 200 ISO. Mein Lieblingsbild, weil es diesen zärtlichen Moment einfängt, bevor der Rennfahrer in seine Maschine steigt. Dank dem 200er konnte ich die Szene unbemerkt fotografieren, und dank der offenen Blende lösen sich die beiden Protagonisten perfekt vom Umfeld.


Das 300-600er, das mehr als doppelt so schwer und um einiges sperriger ist, lädt nicht so sehr zum spontanen Fotografieren ein ;-). Die lange Röhre spielt ihre Stärken dann aus, wenn es darum geht, Distanzen zu überwinden und die Boliden auf der Rennstrecke zu fotografieren. Auch hier wählen wir für optimale AF-Performance die SL3-S. Der AF-Schalter ist wieder auf AF-C und die Bildrate auf 15 Bildern pro Sekunde. Nebst den ultrascharfen Bildern mit kurzer Verschlusszeit wage ich mich an eine kleine Serie, bei der ich die Kamera mit langsamerer Verschlusszeit mitziehe. Das Stativ dient dabei als zusätzliche Stabilisation und zur Entlastung meiner Muskulatur ;-). Ich schätze die Flexibilität des Zooms, die mir ermöglicht, den Bildausschnitt je nach Position an der Rennstrecke frei zu wählen.

Bild 1 und 2: Leica SL3-S mit Sigma 300–600mm F4 DG OS | Sports auf 600 mm, 1/2500 sec, f 4, 320 ISO. Beim extremen Reinzoomen sieht man, dass die Autos trotz sehr schneller Verschlusszeit ganz leichte Unschärfen aufweisen und auch, dass nicht das ganze Auto scharf ist – was dem Fakt geschuldet ist, dass ich die Blende voll geöffnet habe, um ans Limit zu gehen.
Bild 3: Leica SL3-S mit Sigma 300–600mm F4 DG OS | Sports auf 600 mm, 1/1000 sec, f 4, 200 ISO. Dieser Wagen ist auf der Rückfahrt vom Ziel zum Start und deshalb deutlich langsamer unterwegs. Das Bild is perfekt scharf, und es zeigt, dass das 300–600er auch im obersten Telebereich sehr gute Resultate liefert.
Bild 4: Leica SL3-S mit Sigma 300–600mm F4 DG OS | Sports auf 476 mm, 1/50 sec, f 10, 200 ISO. Beim Mitziehen muss die Kamerabewegung und die Fahrzeuggeschwindigkeit perfekt synchron sein. Deshalb gibt es viel Ausschuss. Obwohl ich kein Autofotograf bin, sind mir doch ein paar Aufnahmen mit Mitziehen gelungen, die mich happy machen.
Bild 5: Leica SL3-S mit Sigma 300–600mm F4 DG OS | Sports auf 600mm, 1/50 sec, f 10, 160 ISO
Bild 6: Leica SL3-S mit Sigma 300–600mm F4 DG OS | Sports auf 300mm, 1/50 sec, f 10, 200 ISO. Dieses Bild ist vom gleichen Standpunkt aus entstanden wie die Bilder 4 und 5, aber an einem anderen Punkt der Strecke. Dank dem Zoom kann ich so flexibel agieren.
Alle Bilder mit Stativ.

Clip: AF-Performance-Test mit der Leica SL3-S, AF-C, 15 fps, mit Sigma 300–600mm F4 DG OS | Sports auf 600 mm, 1/2500 sec, f 4, 320 ISO


Noch ein wenig Safari-Feeling

Und dann, zum Abschluss unseres Tests, geht es noch in den Zoo. Die Masoalahalle liebe ich sowieso, und wenn man einmal zwei so tolle Objektive hat, muss man es ausnützen. Anfangs fotografiere ich mit dem 300–600er aus der Hand und bin positiv überrascht, wie gut der Bildstabilisator funktioniert. Doch irgendwann fragen meine Oberarmmuskeln nach, ob ich das Stativ eingepackt habe, und die weiteren Aufnahmen entstehen mit Stativunterstützung. In meiner Phantasie male ich mir aus, wie ich mit diesem Objektiv auf Safari bin und es mit einem Beanbag auf der Autotür mit heruntergekurbeltem Fenster einsetze. Ich bin sicher, dass würde grossen Spass machen. Falls ich einen Sponsor finde, probiere ich das gerne noch aus und verfasse einen dritten Teil des Testberichts ;-). 

Bild 1: Leica SL3 mit Sigma 300–600mm F4 DG OS | Sports auf 461 mm, 1/250 sec, f 4, 5000 ISO. Dieses Bild habe ich aus der Hand gemacht, um den Bildstabilisator zu testen. Er funktioniert sehr gut. Weil ich das Foto gleich nach dem Eintreten in die Masoalahalle realisiert habe und die Frontlinse sich beschlug, musste ich es ziemlich stark “dehazen”. Das Bildrauschen ist bei 5000 ISO entsprechend hoch, und ich würde den Hintergrund dieses Fotos entrauschen.
Bild 2: Leica SL3 mit Sigma 300–600mm F4 DG OS | Sports auf 600 mm, 1/160 sec, f 9, 1000 ISO, Stativ
Bild 3: Leica SL3 mit Sigma 300–600mm F4 DG OS | Sports auf 456 mm, 1/250 sec, f 4.5, 5000 ISO, Stativ, Crop. Extrem gut getarnter Madagaskar Plattschwanzgecko, schwierig zu fotografieren, da ziemlich weit vom Weg entfernt und völlig im Schatten.
Bild 4 und 5: Leica SL3 mit Sigma 300–600mm F4 DG OS | Sports auf 600 mm, 1/500 sec, f 4.5, 400 ISO, Stativ, Crop
Bild 6: Leica SL3 mit Sigma 300–600mm F4 DG OS | Sports auf 600 mm, 1/500 sec, f 4.0, 640 ISO, Stativ

Das Fotografieren mit einer solchen Extrembrennweite erfordert Übung, und es empfiehlt sich, lieber ein paar Aufnahmen zu viel als zu wenig zu machen. Wenn sich das Motiv nur leicht bewegt, entstehen bereits leichte Unschärfen. Den Ibis auf Bild 6 habe ich ziemlich perfekt getroffen. Hier ein 1:1 Ausschnitt aus diesem Bild, links ungeschärft und rechts so, wie ich ihn mit leichtem Schärfen finalisieren würde:

Die Zeit rennt uns davon, doch wir streifen noch etwas durch den Zoo. Bei den Koalas und den Flamingos bleiben wir hängen und versuchen, die Tiere so einzufangen, als wären sie nicht im Zoo, sondern in freier Wildbahn. Das gelingt mit einer langen Brennweite besser als mit kurzbrennweitigen Objektiven. Sowohl das 2.0/200 mm als auch das 4.0/300–600mm liefern tolle Ergebnisse.

Bild 1: Leica SL3-S mit Sigma mit Sigma 200mm F2 DG OS | Sports, 1/400 sec, f 2.0, 800 ISO
Bild 2: Leica SL3-S mit Sigma mit Sigma 200mm F2 DG OS | Sports, 1/200 sec, f 2.8, 800 ISO
Bild 3: Leica SL3 mit Sigma 300–600mm F4 DG OS | Sports auf 300 mm, 1/320 sec, f 4.0, 2000 ISO, Stativ
Bild 4: Leica SL3 mit Sigma 300–600mm F4 DG OS | Sports auf 600 mm, 1/2000 sec, f 4.0, 400 ISO, Stativ
Bild 5: Leica SL3 mit Sigma 300–600mm F4 DG OS | Sports auf 600 mm, 1/2000 sec, f 4.0, 400 ISO, Stativ, Crop
Bild 6: Leica SL3 mit Sigma 300–600mm F4 DG OS | Sports auf 600 mm, 1/1250 sec, f 4.0, 320 ISO, Stativ


Mein Fazit zum Sigma 300–600mm F4 DG OS | Sports

Über eine Vielzahl von Schaltern kann man das 300–600er je nach Einsatzbereich «finetunen».

Dieses Objektiv ist für sehr spezifische Zwecke gebaut, vor allem für die Sport- und Tierfotografie. Wer sich in diesen Genres bewegt, hat mit dem 300–600 mm ein hervorragendes Objektiv im Köcher (oder im Ruckack), das liefert, wenn es gefordert ist, und das zu einem für diese technischen Daten äusserst interessanten Preis. Die optische Performance ist hoch. Sigma behauptet, sie sei auf dem Niveau von Festbrennweiten in diesem Bereich. Das kann ich mir beim Betrachten der Bilder sehr gut vorstellen, müsste es aber in einem Vergleichstest noch verifizieren.

Wie beim 2.0/200 hat Sigma auch bei diesem Objektiv alle elektronischen Helfer verbaut, die man sich denken kann. Ein sehr guter Bildstabilisator ist natürlich an Bord, frei programmiere Buttons, Innenzoom, Staub- und Spritzwasserschutz, Drop-in-Filterhalter und und und. Besonders möchte ich den Fokussierbereichsbegrenzer hervorheben. Bei kleineren Objekten im Vordergrund hatte die AF-Erkennung unserer Kameras manchmal etwas Mühe. Die Begrenzung des AF-Bereichs hilft hier sehr, dass der Autofokus im „richtigen“ Teil des Entfernungsbereichs die Schärfe sucht. Wie beim 2.0/200mm ist der kleine Wermutstropfen für die Sony-Userinnen und User, dass die Bildrate auf 15fps begrenzt ist und die beiden Telekonverter (1.4 und 2fach) nur für das L-Mount-System erhältlich sind. Bei beiden Objektiven entzieht es sich meiner Kenntnis, ob Canon- und Nikon-Fotografen früher oder später auch in den Genuss dieser beiden exzellenten Objektive kommen.


Special thanks

Ich mache diese Tests ehrenamtlich aus Spass an der Freude. Umso wichtiger ist es, dass Freunde mitmachen und mich in ihrer Freizeit bei den Tests unterstützen. Und natürlich braucht es auch Personen, die sich fotografieren lassen ;-). Ein herzliches Dankeschön an Ursula, Chiara, Marco, Peter, Jürg, Thomas, Angi, Hannah, die Hochzeitsgesellschaft von Eva und Raphael, die Leute am Bergrennen in Oberhallau und last but not least auch die Tiere im Zoo.

Alle Fotos © by Peter und Ursula Schäublin und Chiara Denicolo

 
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Zwei Lichtriesen im Test, Teil 1